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Straße von Mitteleuropa über Kleinasien zum Persischen Meere
und der Weg von Westeuropa über Moskau nach Ostasien.
Der Weg von der Donau über Konstantinopel nach
Baßra am Persischen Meere wird uns von der Benutzung des
unter englischem Einflüsse stehenden Suezkanals freimachen.
Er bildet aber auch den größten Teil der direkten Straße aus
dem Herzen Europas nach jenen Ländern des fernen Orients,
die als Rohstofflieferanten wie auch als Abnehmer europäischer
Waren von höchster Bedeutung sind. Durch den Bau der
Bagdadbahn, den sich deutscher Unternehmungsgeist und
deutsches Kapital zur Aufgabe gemacht haben, soll die Ver-
bindung zwischen Konstantinopel und Baßra hergestellt und
jene alte Völkerstraße wieder zu Ehren gebracht werden, auf
der sich vor Jahrtausenden der Verkehr zwischen Europa und
Ostindien bewegte. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß die alte
Donaustraße aus Deutschland gleichsam hinweist nach dem
Südosten, zum Euphrattal, zum Indischen und Großen Ozean.
Die Straße von Westeuropa über Moskau nach Ost-
asien mit einer Länge von rund 11000 km ist die zweite
Überlandroute, die als Welthandelsstraße mit Vollendung der
sibirischen Bahn für Deutschland einen hohen Wert erlangt
hat. Für den Transport von Massengütern aus Deutschland
nach Ostasien wird sie wohl kaum jemals in Frage kommen,
da diese stets den billigeren Seeweg wählen werden; aber durch
die Beförderung der Post, der Personen und wertvoller Güter
wird sie von internationaler Bedeutung sein.
2. Die deutsche Handelsflotte.
a. Entwicklung'.
Deutschland durchlebt jetzt die zweite Blütezeit seines Welthandels.
Wie einst Venedig das Mittelmeer, so beherrschte vom 13. bis 15. Jahr-
hundert die deutsche Hansa mit ihrer gewaltigen Handelsflotte Nord- und
Ostsee. Sie war mit der Zeit zu einer solchen Machtfülle gelangt, daß
sie aus einem Krieg mit dem Dänenkönig Waldemar siegreich hervorging.
Doch gegen Ende des 15. Jahrhunderts begann der Stern der Hansa zu
sinken. Zahlreiche Feinde, innere Zwistigkeiten führten den vollständigen
Verfall herbei. Während die westeuropäischen Mächte infolge der großen
Entdeckungen am Ende des 15. Jahrhunderts schnell emporblühten, sank
der deutsche Seehandel zur Bedeutungslosigkeit herab. Nur Hamburg,
Bremen und Lübeck wußten sich den neuen Zeitverhältnissen anzupassen
und einen gewissen Anteil an dem Welthandelsverkehr zu sichern. Doch
auf den Schutz eines Deutschen Reiches konnten sie nicht rechnen.
Deutschland war während des 16. und 17. Jahrhunderts der Schauplatz
religiöser und politischer Wirren und so zu Ohnmacht und wirtschaftlichem
Verfall verurteilt.
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan]]
TM Hauptwörter (200): [T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende]]
Extrahierte Ortsnamen: Mitteleuropa Westeuropa Moskau Ostasien Donau Baßra Europas Konstantinopel Europa Ostindien Deutschland Euphrattal Ozean Westeuropa Moskau Deutschland Deutschland Ostasien Deutschland Hamburg Bremen Deutschland
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belangreich, ergiebiger dagegen die Zinkgewinnung in Cornwall.
Steinsalz erzeugt England mehr als irgend ein Land der Erde
und führt davon große Mengen aus. Die Ausbeute an Porzellanerde
(pottery district am Flusse Trent), Ton und Schiefer ist ebenfalls
wichtig.
3. Die Industrie. Wenn auch die Zeit ihrer unbeschränkten
Herrschaft vorüber ist, so nimmt Englands Industrie dem Umfange
nach immer noch die erste Stelle in der Welt ein (Deutschland und
die Union sind ihre gefährlichsten Nebenbuhler). Diese verdankt
es nächst dem Reichtum an Kohle und Eisen sowie an Kapitalien
dem Unternehmungs- und Erfindungsgeiste seiner Bevölkerung
(Dampfmaschine, Dampfhammer, mechanischer Webstuhl, Lokomo-
tive), seiner altgeschulten Arbeiterschaft, den ausgezeichneten Ver-
kehrsmitteln, dem riesigen Absatzgebiete in seinen Kolonien, die
zugleich alle wertvollen Rohstoffe liefern sowie endlich der völligen
Gewerbefreiheit. Die großartigste Entfaltung der britischen Industrie
findet sich in England und Südschottland, gering ist sie in Irland.
An erster Stelle steht die Te xtili nd ustrie, die über 1 Mill. Arbeiter
beschäftigt (1907 51 Mill. — zwei Fünftel aller Spindeln der Welt).
Bau m wollzwirne und -gewebe werden hergestellt in Manchester
(,,Cotton is King"), Salford, Oldham, Rochdale, Blackburn und Glasgow.
Daß die englischen Spinnereien das feinste Garn liefern, ist auch im Klima
begründet. Liverpool ist nach New York der größte Baumwollenmarkt
der Erde. — Die Wollindustrie, von den englischen Kolonien mit Roh-
stoffen versehen, erzeugt Tuche, die sich durch Leichtigkeit und Feinheit
vor anderen auszeichnen. Ihre Zentren sind Bradford und Leeds. —
Die Leinenindustrie verarbeitet viel russischen Flachs; in Irland blüht
sie als Hausgewerbe ; ihre Mittelpunkte sind Belfast, Dundee und Leeds. —
Rein äußerlichen Veranlassungen verdanken die Jute- und Seiden-
industrie Englands ihr Entstehen; erstere dem Krimkriege (Ausbleiben
von russischem Flachs und Hanf, Ersatzstoff die Jute aus Indien ; Haupt-
sitz Schottland mit Dundee und Glasgow); — letztere wurde von ein-
gewanderten Hugenotten nach England verpflanzt, ist aber von unter-
geordneter Bedeutung und deckt bei weitem nicht den Bedarf (London,
Manchester).
In der Metallwarenindustrie leistet England, obwohl seine Welt-
marktstellung (sogar in Ostindien) von der deutschen Konkurrenz be-
droht ist, Gediegenes. Sie ist über das ganze Reich verbreitet; jedoch
sind ihre Hauptsitze seit Jahrhunderten Birmingham und Sheffield
(Ursache?). Gegenstand der Produktion ist sowohl die kleine Nähnadel
als auch der schwere Schiffsanker. Hervorzuheben sind die Stahl-
erzeugung und -Verarbeitung (Stahlfedern, Schneidewerkzeuge), ferner
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T62: [Insel Stadt Hafen England Hauptstadt Einw. See London Handel Schottland], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T86: [Insel England Irland Schottland Kolonie Hafen Stadt Küste Hauptstadt Kamerun], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Ortsnamen: Cornwall England Englands Deutschland England Irland Oldham Blackburn Glasgow Liverpool Leeds Irland Leeds Englands Indien Schottland Glasgow England London England Ostindien
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Hochebene Weizen, Mais und Bohnen hervor. Das Zuckerrohr
gedeiht bis iooo m Höhe; Kaffee, Baumwolle, Reis (Orizaba), Vanille,
Kakao und vor allem Tabak liefern gute Erträge. Die Haupt-
tabakgebiete liegen um Vera Cruz und Oaxaca, der Kakaobaum
gedeiht am besten in den südlichen Küstengegenden des Großen
Ozeans. Neuerdings wird auch Kautschuk angebaut, und die
Wälder am Rande der Campechebai liefern Campeche-, Gelb-,
Zedern- und Mahagoniholz. Die Tierzucht ist bedeutend im Norden
und bringt besonders Rinder, Ziegen, Schafe und gute Pferde hervor.
Die einst bedeutende Cochenillezucht ist zurückgegangen. (Anilin-
farben!) Niedercalifornien liefert Perlen und Austern.
2. Der Bergbau ist gut entwickelt und bringt reiche Erträge.
In der S i 1 b e r forde rung ist Mexiko das erste Land der Erde (1906:
rund 2 023 000 kg i. W. von fast 162 Mill. M). Die Hauptorte der
Silbergewinnung sind Durazzo, Zacatecas und San Luis Potosi.
Auch Blei, Gold (1905: 24 236 kg i. W. von fast 68 Mill. M), Kupfer,
Zink, Eisen, Quecksilber und Schwefel werden abgebaut.
3. Die Industrie ist neuern Datums und größtenteils in nordamerika-
nischen Händen. Schmelzwerke, Zuckerfabriken, Baumwollmanufak-
turen, Tabak- und Zigarrenfabriken sind vorhanden und arbeiten zum
Teil bereits für die Ausfuhr. Metall- und Lederarbeiten sind rühmlichst
bekannt. Die Hauptsitze der Industrie sind Monterey, Puebla, Guada-
laxara und Mexiko.
4. Handel und Verkehr bedienen sich im Binnenhandel noch
häufig des Saumtieres, daneben der mächtig emporblühenden Eisen-
bahnen (19 680 km). Die wichtigsten Linien sind die bereits erwähnte
Zentralbahn (S. 124) und die Tehuantepecbahn, welche die beiden
Ozeane miteinander verbindet. Der Außenhandel betrug 1905
767 Mill. M; die Hauptverkehrsländer sind die Union (die Hälfte der
Einfuhr, drei Viertel der Ausfuhr), Großbritannien und das Deut-
sche Reich (ein Achtel bzw. ein Zwölftel). Deutschland holt aus
Mexiko Kaffee, Tabakblätter, Hanf, Blau- und Ebenholz, Rinds-
häute (1906 für 19 Mill. M) und liefert ihm Eisenwaren, Eisenbahn-
material, Textilwaren, Glas, Chemikalien, Anilin und andere Farb-
stoffe, Bücher, Stiche und Bilder (1906 für 49 Mill. M). Die Haupt-
handelsplätze sind Vera Cruz, Tampico, La Paz, Manzanillo und
Acapulco.
TM Hauptwörter (50): [T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel]]
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weiter als nach Merkendorf gehen. Du möchtest dir sonst
wehe tun.“
Und so geschah es auch. Andreas schnallte sein Wander-
bündel, aß sein Leibgericht mit großem Beifall, plauderte noch
zwei oder drei Stunden mit seiner Mutter über dieses und jenes
und ging dann, von ihr bis vor die Haustüre geleitet.
Die Witwe aber sprach bei sich, als sie, die beiden Hände
in den Rocktaschen, nach ihrem Stüblein zurückkehrte: »Ich lasse
alles liegen und stehen, auch seinen Rappen; denn er wird nicht
lange ausbleiben.“ Und als eine Stunde darauf die Nachbarin
kam und Schuhe zum Flicken brachte, nahm sie diese an und
antwortete: »Morgen abend könnt Ihr wiederkommen und sie
holen, da werden sie fertig sein.“
Andreas aber, je weiter er ging, desto länger wurde ihm
der Weg nach England und Amerika. Schon auf den Wiesen
zwischen den beiden nächsten Ortschaften gelobte er bei sich
selber, sich mit der neuen Welt nicht einzulassen. In dem
großen Mönchswald gab er auch England auf; in dem tiefen
Sande hinter dem Walde fiel der Zeiger bis auf Frankfurt zurück;
und als ihm in Merkendorf da und dort aus den Stuben ein
heimliches Abendlicht entgegenschimmerte wie vom Himmel dm
ersten Sterne, fühlte er ganz, was es heiße, Mutter und Heimat
auf Nimmerwiederkommen zu verlassen.
So kam er in die Herberge seines Handwerks, nippte ohne
großen Appetit von dem Biere, das ihm vorgesetzt wurde,
und legte sich dann zwischen die Nürnberger Fuhrleute, die
auf dem Stroh in der Stube herumlagen. Sein Wanderbündel
machte er zum Kopfkissen. Dann löschte der Wirt die mit
Schmalz gefüllte Lampe aus, und das Mondlicht herrschte nun
allein in der Stube.
Andreas aber hatte einen schlimmen Platz gewählt. Sein
Schlafkamerad zur Linken träumte vielleicht von einer Schlägerei.
Wenigstens schlug er mit seinen großen und harten Fäusten
gewaltig um eich und traf dabei den Schuhmacher so in das
Genick, daß dieser erschrocken aufsprang und eine andere
Schlafstätte suchte. Eine lange, schmale Tafel, welche an der
Wand von dem Fenster bis zur Stubentüre reichte und auf
der nichts stand als ein Scheffel, lud ihn ein. Er hob den
Scheffel herab und sein Wanderbündel hinauf und legte sich
dann selbst nach Bequemlichkeit zurecht. Wenige Minuten
darauf schloß ein sanfter Schlaf seine Augen, und die Erinnerung
aus seiner frühesten Jugend zog, in einen Traum verwandelt,
durch seine Seele. Es träumte ihm, er liege als Knabe von
sieben oder acht Jahren zum Baden entkleidet auf einem flachen
Ufer der Altmühl und wollte sich in dem schwarzen Schlamme
wälzen, um dann seinen Kameraden plötzlich als Mohr zu er-
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Extrahierte Personennamen: Andreas Andreas Andreas
Extrahierte Ortsnamen: Merkendorf England Amerika England Frankfurt Merkendorf
3
und dem wir alle seine Wohltaten zuweilen mit schnödem Undank gelohnt
hatten. Fest und innig umschloß des Lehrers Hand die meine, und
tief blickte er in meine von Tränen überströmenden Augen, als wollte
er die Gedanken erraten, die auf dem Grunde des jugendlichen Herzens
schlummerten. Wie lange wir so Hand in Hand und Auge in Auge
einander gegenübergestanden haben, vermag ich nicht zu sagen. Erst
die tiefbewegte Stimme des Lehrers befreite mich von dem Banne, der
mich gefesselt hielt, und nie werde ich den Segenswunsch vergessen, den
er mir zurief: „Gott bewahre dir dein kindlich dankbares Gemüt und
deine reine Seele!" Mir war die Kehle in diesem Augenblicke wie
zugeschnürt, und nur ein leises, schluchzendes „Behüt' Sie Gott!" dem
Lehrer zurufend, stürmte ich leidenschaftlich erregt zur Türe hinaus.
In dieser Stimmung war es mir unmöglich, sofort nach Hause zurück-
zukehren und alle die neugierigen Fragen meiner kleinen Geschwister zu
beantworten. Ich wandte mich daher nach der entgegengesetzten Seite
und schlug einen schmalen, schattigen Pfad ein, der mich zu einem
kleinen, von grünem Laubholz umkränzten Waldsee führte. Hier am
Ufer des Sees warf ich mich auf das dichte, schwellende Moos des
Waldbodens und ließ noch einmal alle die schönen, freudvollen Tage
meiner Schulzeit vor meinem geistigen Auge vorüberziehen. Aber nicht
nur der so sorglos und friedlich verlebten Vergangenheit gedachte ich in
diesem Augenblicke, ich richtete meine Blicke auch in die noch dunkel vor
mir liegende Auknnft. M. Ebeltng, Maurerbursche in Neustrelitz.
3. Das Handwerk.
Lin Handwerk soll der Bub' nicht
treiben;
denn dazu ist er viel zu gut.
Lr kann so wunderniedlich schreiben,
ist so ein feines, junges Blut.
Nur ja kein Handwerk — Gott be-
wahrel
Das gilt ja heute nicht für fein:
„Und wenn ich mir's am Munde spare,
es muß schon etwas Beff'res sein!"
Das ist der wunde Punkt der Zeiten:
ein jeder will aufs hohe Pferd;
ein jeder will sich nobel kleiden,
doch niemand seinen Schneider ehrt.
Der Hände Arbeit kam zuschanden
der Arbeitsbluse schämt man sich;
das rächt sich noch in deutschen Landen,
das rächt sich einmal bitterlich.
Das Handwerk hat noch gold'nrn
Boden,
hält es nur mit dem Zeitgeist Schritt,
folgt es den Künsten und den Moden,
und bringt man Liebe zu ihm mit.
wenn Bildung sich und Fleiß ver-
mählen
und tut der Meister feine Pflicht,
mögt ihr es zum Beruf erwählen:
es ist das Schlechteste noch nicht.
Deutsche Töpferzeituuz.
4. Die Berufswahl.
„Für einen Bauer ist er zu schwächlich, wird halt ein Pfarrer
oder ein Schneider werden müssen!" Das war das Ergebnis der Be-
ratung, die eines Abends über mich in der Stube des Waldbauern
abgehalten wurde. Meine Mutter ging zu dem Geistlichen, Hilfe
i*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
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schickte, jedoch ohne Namensunterschrift, dem Wirt in Merken-
dort zur vollen Entschädigung drei neue Kronentaler auf
der Post. Karl Stöber.
20. Wanderlieder.
a. Bleibe nicht am Loden heften.
Bleibe nicht am Boden heften,
frisch gewagt und frisch hinaus!
Kops und Arm mit heitern Kräften,
überall sind sie zu Haus.
Wo wir uns der Sonne freuen,
sind wir jeder Sorg: los;
daß wir uns in ihr zerstreuen,
darum ist die Welt so groß.
Goethe.
b. Wandern.
Berggipfel erglühen,
Waldwipfel erblühen,
vom Lenzhauch geschwellt,
Zugvogel mit Singen
erhebt seine Schwingen:
ich fahr’ in die Welt.
Mir ist zum Geleite
in lichtgoldnem Kleide
Frau Sonne bestellt;
sie wirft meinen Schatten
auf blumige Matten:
ich fahr’ in die Welt.
Mein Hutschmuck die Kose,
mein Lager im Moose,
der Himmel mein Zelt I
mag lauern und trauern
wer will, hinter Mauern:
ich fahr’ in die Welt! Victor Ton Scheffel.
c. Der frohe Wandersmann.
wem Gott will rechte Gunst erweisen,
den schickt er in die weite Welt;
dem will er seine wunder weisen
in Berg und Wald und Strom und Feld.
Die Bächlein von den Bergen springen,
die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
was sollt' ich nicht mit ihnen singen
aus voller Kehl' und frischer Brust I
Den lieben Gott laß ich nur walten,
der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
und Erd' und Himmel will erhalten,
hat auch mein Sach' aufs best' bestellt!
Joseph von Eichendorfs.
d. Vergiß mir vir
Vergiß mir nie das Vaterhaus,
wo du auch sei'st im Weltgebraus I
Da, wo die erste Liebe blühte,
des Lebens Frühling dir erschien,
die reinste Freudensonne glühte,
dahin laß die Gedanken ziehn!
O halt es heilig, dies irdische Haus,
und zögst du ans Ende der Welt hinaus!
c. Gott
Gott grüße dich 1 Kein andrer Gruß
gleicht dem an Innigkeit.
Gott grüße dich I Kein andrer Gruß
paßt so zu aller Zeit.
das Vaterhaus.
Vergiß mir nie das Vaterhaus
da droben überm Weltgebraus!
Da wohnt die rechte Vatcrliebe,
ein ew'ger Frühling bricht dort an,
und fernhin schwindet alles Trübe
auf jener lichten Sonnenbahn.
O halt es heilig, dies himmlische Haus,
das hebt über Zeit und Welt hinaus!
Sprüngli.
grüße dich.
Gott grüße dich 1 wenn dieser Gruß
so recht von Herzen geht,
gilt bei dem lieben Gott der Gruß
so viel als ein Gebet.
Julius Sturm.
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Extrahierte Personennamen: Karl_Stöber Karl Goethe Joseph_von_Eichendorfs Sprüngli Julius_Sturm
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durch, der erste Stich war mißlungen. Tief erglühend forschte ich der
Ursache nach und kam endlich darauf, daß von mir vergessen worden
war, an dem Faden einen Knoten zu machen. Ich schlang also mit
großer Mühe ein Knötlein und nähte hierauf mit Erfolg, aber auch
mit Hindernissen. Es verwandt und verdrehte sich der Zwirn, es
staute sich die Nadel am Finger, es verschob sich das Zeug und
ließ sich mit jedem Zuge hoch in die Lüfte ziehen, es riß sogar
der Faden.
Als ich ein paar Stunden so herumgenäht hatte, ohne daß mein
Meister auch nur, eine Silbe zu mir gesprochen hätte, und als ich
endlich mit dem Ärmling fertig zu sein wähnte und mit dem Auge
fragte, was nun zu beginnen sei, antwortete er: „Jetzt trenne den
Ärmling wieder auf bis auf den letzten Stich und ziehe die Fäden
sauber aus. Achtung geben mußt nur, daß du den Stoff nicht an-
schneidest." Als ich das mit Angst und Schmerz getan hatte und
die Teile des Ärmlings wieder so dalagen, wie sie mir der Meister
in die Hand gegeben hatte, ließ er von seiner Arbeit ab und sprach
zu mir folgendes: „Ich hab' nur sehen wollen, wie du die Sache
angreifst. Just nicht ungeschickt, aber den Loden muß man zwischen
Knie und Tischrand einzwängen, sonst liegt er nicht still. Später,
wenn du's einmal kannst, wird er auch wohl ohne Einzwängen still
liegen, so wie bei mir da. Auf den Finger mußt du einen Fingerhut
stecken, sonst kriegt deine Hand gerade so viele Löcher wie der Loden.
Den Zwirn mußt du mit Wachs glätten, sonst wird er fransig und
reißt. Die Stiche mußt du so machen, daß einer über dem andern
reitet, das heißt man Hinterstiche, sonst klafft die Naht. Die Teile
mußt du so zusammennähen, daß du sie nicht wieder voneinander zu
trennen brauchst, und gibt es doch einmal zu trennen, so mußt kein
saures Gesicht dazu machen; empfindsam sein leidet unser Handwerk
nicht. Jeder Ochsenknecht wird dich ausspotten und wird dich fragen,
ob du das Bügeleisen bei dir hättest, daß dich der Wind nicht fort-
trägt, und wird, solange er deiner ansichtig wird, wie ein Ziegenbock
meckern. Laß ihm die Freud' und geh still und sittsam deiner Wege.
Ein gescheiter Mensch schämt sich nicht seines ehrlichen Handwerks,
und ein dummer vermag es nicht zu lernen. Der Schneider studiert
nie aus; jede Kundschaft hat einen andern Leib, jedes Jahr hat eine
andre Mode; da heißt's nicht bloß zuschneiden und nähen, da heißt's
auch denken, mein lieber Bub'; aus einem tüchtigen Schneider ist schon
manch ein hoher Herr hervorgewachsen. Der große Feldherr Derff-
linger ist ein Schneider gewesen. Deswegen, wenn du in dir wirklich
die Neigung empfindest zu diesem Stande, so will ich dich lehren, was
ich selber kann."
Ich nickte dankend mit dem Kopfe. Beim Weggehen sagte der
Alpelhoser zu mir: „Schneider werden? Wie ist dir denn das einge-
fallen ? Alleweil in der finstern Stube sitzen; in den meisten Häusern
lassen die Leut' nicht einmal Lust zu den Fenstern herein. Wenn du
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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nächsten Augenblick in einem Tunnel verschwindet, da er sich nicht am
Felsen vorbeidrücken kann. Hier treibt ein Floß von ungeheurer Länge;
es bringt Schwarzwaldtannen und Bretter nach Holland. Die Ruderer
an beiden Enden bewegen die Steuer im Takte; sie sind froh, daß sie
beide Brücken bei Mainz ohne Anstoß durchfahren haben. Langgestreckte
Inseln liegen mitten im Strome, und Fahrzeuge aller Größen durchkreuzen
ihn längs und quer. Bald grüßt von einem hohen Felsen Burg Rhein-
stein herab, die sich Prinz Friedrich von Preußen aus Ruinen in alt-
ritterlicher Bauart herstellen ließ; man sieht die schmalen Fallbrücken,
welche den Einlaß in den Burghof gewähren. Kaum ist Nheiustein dem
Blick entschwunden, so taucht bereits Burg Sooneck vor uns auf.
Sanft gleitet das Schiff hin auf dem schönen, majestätischen Strome,
der auch im Sommer eine stattliche Wasserfülle behält, weil die 300
Gletscher an seiner Wiege gerade zur Zeit der Sonnenglut ihn reichlich
nähren. Von B a ch a r a ch schallt jetzt der Klang der Glocken herüber,
die zum Hochamt rufen, und bald hallen die Orgeltöne weihevoll über
die Wogen. Wie drängt sich da Reinicks Lied „Sonntag am Rhein" von
selbst auf die Lippen:
Des Sonntags in der Morgenstund', Und ernst in all die Herrlichkeit
wie wandert's sich so schön die Burg herniederschaut
am Rhein, wenn rings in weiter Rund' und spricht von alter, guter Zeit,
die Morgenglocken gehn. — die auf den Fels gebaut.
Ein Schifflein zieht auf blauer Flut,
da singt's und jubelt's drein;
du Schifflein, gelt, das fährt sich gut
in all die Lust hinein?
Das alles beut der prächt'ge Rhein
an seinem Rebenstrand
und spiegelt recht im hellsten Schein
das ganze Vaterland, —
Vom Dorfe hallet Orgelton, Das fromme, tteue Vaterland
es tönt ein frommes Lied; in seiner vollen Pracht,
andächtig dort die Prozession mit Lust und Liedern allerhand
aus der Kapelle zieht. — vom lieben Gott bedacht. —
Jetzt blicke zur Rechten! Kaub taucht auf. Wie ruft dieser Name
die geschichtliche Erinnerung wach an den alten Feldmarschall Vorwärts,
der in der Neujahrsnacht 1814 den Befehl erteilte und ausführte: „In
Frankreich hinein!" und der an der Übergangsstelle, in Erz gegossen, noch
heute dasteht, die Faust am Schwertgriff. Dort, wo ein Zug fauchend
aus dem schwarzen Felsentunnel hervorschießt, ist der L o r e l e i f e l s e n,
der sich schroff und steil au den Strom herandrängt. Fehlt ihm auch
ern dichtes grünes Kleid, so ist er dafür um so reicher mit Sagen umwoben.
Zur Zeit der Dämmerung und beim milden Glanze des Mondlichts ließ
sich früher eine holde Jungfrau mit goldenen Locken auf der Kuppe sehen,
die mtt so verlockender Stimme sang, daß viele Vorüberfahrende wie ver-
zaubert lauschten, Kiel und Steuer vergaßen und am Felsenriff zerschellten.
Der Sohn eines Pfalzgrasen wollte zu ihr dringen, tat den Sprung
aus dem Fahrzeug zu kurz und ertrank. Ein Bote des Vaters forderte
sie auf, sich in den Rhein zu stürzen; doch sie entgegnete: „Der Rhein
mag mich holen!" Da flogen zwei Wellen in Gestalt weißer Rosse zu
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_von_Preußen Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Holland Mainz Burg_Rhein- Burghof Rhein" Rhein Rhein Kaub Frankreich Kiel Rhein Rhein
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Und dann, als ich nach wechselvollen Jahren
am offnen Grabe meiner Kinder stand,
da hab' ich, tief erbebend, erst erfahren,
was jene Nacht mein Mütterlein empfand.
Und Lieb' und Reue, Dank und heißes Sehnen,
ich kost' sie täglich, koste sie nicht aus.
Wohl bin ich glücklich — aber oft in Tränen
denk' ich der letzten Nacht im Vaterhaus. B. Bettmann.
6. Kal des Katers
Du wanderst in die Welt hinaus
auf dir noch fremden Wegen,
doch folgt dir aus dem stillen Haus
der treusten Liebe Segen.
an seinen Zahn.
Nimm auf die Schultern Last und Müh
mit frohem Gottvertrauen
und lerne, wirkend spät und früh,
den eignen Herd dir bauen!
Ein Ende nahm das leichte Spiel,
es naht der Ernst des Lebens;
behalt' im Auge fest dein Ziel,
geh keinen Schritt vergebens!
Gerader Weg, gerades Wort,
so will's dem Mann gebühren:
wer sich die Ehre wählt zum Hort,
den kann kein Schalk verführen.
Und nun ein letzte
und eine letzte Bii
Hall dich getreu i
zu deines Volkes
Halt hoch das Haupt, was dir auch droht,
und werde nie zum Knechte;
brich mit dem Armen gern dein Brot
und wahre seine Rechte!
Treib nicht mit heil'gen Dingen Spott
und ehre fremden Glauben
und laß dir deinen Herrn und Gott
von keinem Zweifler rauben I
Druck der Hand
fernen".Land
ltte! Julius Sturm.
7. Antritt der Lehre.
Wie gern hätte Anton eine lateinische Schule besucht!
Prediger wollte er werden, das war sein sehnlichster Wunsch.
Aber der mittellose Vater gab ihn zu einem Hutmacher nach
Braunschweig in die Lehre. Hier mußte er Holz spalten, Wasser
tragen und die Werkstatt auskehren. So unangenehm ihm nun
auch im Anfange diese Beschäftigungen waren, so fand er doch
schließlich eine Art von Vergnügen daran. Seine Phantasie
kam ihm dabei sehr zustatten. Oft war ihm die geräumige
Werkstatt mit ihren schwarzen Wänden und dem schauerlichen
Dunkel, das des Abends und Morgens nur durch den Schimmer
einiger Lampen erhellt wurde, ein Tempel, worin er diente. Des
Morgens zündete er unter den großen Kesseln das heilige, be-
lebende Feuer an, wodurch nun den Tag über alles in Arbeit
und Tätigkeit erhalten und so viele Hände beschäftigt wurden.
Er betrachtete dann dieses Geschäft wie eine Art von Amt, dem
er in seinen Augen eine gewisse Würde erteilte. Gleich hinter
der Werkstatt floß die Oker, auf der ein Vorsprung von
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Extrahierte Personennamen: B._Bettmann Ernst Julius_Sturm Anton
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zum Schlafengehen war es der Gedanke an die bald bevor-
stehende, sehnlichst gewünschte Ruhe, der nun über das Unan-
genehme und Mühsame der Arbeit wieder seinen tröstlichen
Schimmer verbreitete.
Freilich wußte man, daß den folgenden Tag der Kreislauf
des Lebens so von vorn wieder anfing. Aber auch diese zu-
letzt ermüdende Einförmigkeit im Leben wurde durch die Hoff-
nung auf den Sonntag wieder auf eine angenehme Art unter-
brochen. Wenn der Reiz des Frühstücks, des Mittag- und des
Abendessens nicht mehr hinlänglich war, die Lebens- und Arbeits-
lust zu erhalten, dann zählte man, wie lange es noch bis auf
den Sonntag war, wo man einen ganzen Tag von der Arbeit
feiern und einmal aus der dunkeln Werkstatt vors Tor hinaus
in das freie Feld gehen und des Anblicks der freien, offenen
Natur genießen konnte. O, welche Reize hat der Sonntag für
den Handwerksmann! Er kann es ganz fühlen, was für ein
großer, herrlicher, menschenfreundlicher Sinn im dritten Ge-
bote liegt! Und wie freute sich Anton auf den Sonntag! Sein
Mitlehrling hatte ihm versprochen, ihn künftigen Sonntag mit in
die Bruderkirche zu nehmen, deren Prediger ihn oft erschüttert
und bewegt habe.
Der Sonntag kam heran. Anton stand früher als gewöhnlich
auf, verrichtete seine Geschäfte und kleidete sich an. Als ge-
läutet wurde, hatte er schon eine Art angenehmen Vorgefühls
dessen, was er nun bald hören werde. Man ging zur Kirche.
Die Straßen, die nach der Bruderkirche führten, waren voller
Menschen, die in Menge hinzueilten. Als die beiden Lehr-
linge in die Kirche kamen, konnten sie kaum noch ein
Plätzchen der Kanzel gegenüber finden. Die Kirche war ein
altes gotisches Gebäude mit dicken Pfeilern, die das hohe Ge-
wölbe unterstützten, und ungeheuer langen, bogigen Fenstern,
deren Scheiben so bemalt waren, daß sie nur ein schwaches
Licht durchschimmern ließen. So war die Kirche schon von
Menschen erfüllt, ehe der Gottesdienst noch begann. Es herrschte
eine feierliche Stille. Auf einmal ertönte die vollstimmige Orgel,
und der ausbrechende Lobgesang einer solchen Menge von
Menschen schien das Gewölbe zu erschüttern. Als der letzte
Gesang zu Ende ging, waren aller Augen auf die Kanzel ge-
heftet , und man bezeigte nicht minder Begierde, den Prediger
zu sehen als zu hören. Endlich trat er hervor und kniete auf
den untersten Stufen der Kanzel, ehe er hinaufstieg. Dann er-
hob er sich wieder, und nun stand er da vor dem versammelten
Volke. Er sprach nach Anleitung des Evangeliums gegen Un-
gerechtigkeit und Unterdrückung, gegen Üppigkeit und Ver-
schwendung. Er erinnerte an die Zeiten des Krieges, an die
Belagerung der Stadt, an die allgemeine Gefahr, in der die Not
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